Der VAfK Karlsruhe wird noch in 2011 zehn Jahre alt.
Seit etwa Anfang des Jahres 2010 habe ich den Eindruck, die Früchte langjähriger Arbeit ernten zu können. Dies ist ein subjektiver Eindruck, der aber objektive Fakten als Grundlage hat. Von diesen objektiven Fakten handelt mein Referat heute.
Zunehmend gab es Titelseiten zu unserem Thema, z.B.: Focus
vom September 2009 „Im Zweifel gegen den Mann“ und Focus vom Dezember 2009
„Scheidungskinder“. Kaum ein Vorabendkrimi kommt mehr ohne eine Anspielung auf
das Trennungsväter-Thema aus. Der Gedanke, dass Väter auch Opfer der
Verfahrensweisen um Trennung und Scheidung mit Kindern sein könnten, hat
öffentliche Akzeptanz gefunden.
Dieses von den Medien vorbereitete Klima bot die
Voraussetzung für staatliches Handeln, auch mit neuen gesetzlichen Lösungen.
Wenn das Bundesverfassungsgericht Ende Juli 2010 feststellen
musste, dass seine Entscheidung zum Sorgerecht nicht ehelicher Väter vom
29.01.2003 entgegen seiner damaligen Bewertung eben doch menschen- und
grundrechtswidrig war, wird die Dimension deutlich, die das Klima der
Veränderung im deutschen Familienrecht bestimmt.
Es ist noch nicht das System, das sich verändert. Dies wird immer noch getragen von zementierten Strukturen, die z.B. Gleichstellung als alleinige Frauenförderung definieren. Oder von tief verwurzelten Haltungen, wie „Ein Kind gehört zur Mutter“.
Aber einzelne Personen und Persönlichkeiten im System werden mutiger und trauen sich, neue Lösungen anzudenken, anzustreben und auch mit Entscheidungen umzusetzen.
Diese Einzelpersönlichkeiten sind nicht auf die Gerichte
beschränkt, sondern finden sich in allen Professionen.
2009 war ein wichtiges Jahr im Verlauf des schleichenden und für viele einzelne Betroffene oft nicht erfahrbaren Wandels:
- Am 11.06.2009 war der bundesweite Kinostart des Filmes „Der Entsorgte Vater“, der die Speerspitze der medialen Dokumentation von Öffentlichkeitsarbeit zum Trennungsväter-Thema darstellt und der mit seiner zeitversetzten Übertragung in einer Kurzversion in arte am 10.11.2010 und mit seiner baldigen ungekürzten Ausstrahlung in der ARD am 28.06.2011 Langzeitwirkung hat.
- Am 01.09.2009 trat das FamFG in Kraft, das Gesetz zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit in Familiensachen, das einige positive Veränderungen brachte, obwohl an seiner Konzeption deutlich mehr Mütterlobbyisten mitwirkten als Vätervertreter.
- Und am 03.12.2009 zündete das Zaunegger-Urteil zum Sorgerecht nicht ehelicher Väter des Europ. Gerichtshofes für Menschenrechte und zwang die Bundesrepublik Deutschland zu Reformbemühungen, für die die Selbstheilungskräfte unseres Systems einfach nicht ausreichten.
Genau das wurde schon im Vorfeld gefürchtet und manche erwarteten das endgültige „Aus“ für Beistandstätigkeiten.
Ich selbst konnte seit dem 01.09.2009 eine deutliche Ausweitung meiner Beistandstätigkeit erfahren. Es gab auch völlig neue und für mich überraschende Signale. Z.B. erhielt ich nach meiner Anmeldung als Beistand von Richtern und Richterinnen, die ich selbst nie persönlich kennen gelernt hatte, Beschlüsse zu meiner Bestellung als Verfahrensbeteiligter und förmliche Ladungen zum Verfahrenstermin.
Dies führte dazu, dass ich in den letzten 20 Monaten bei über 60 Beistandsterminen viele Familiengerichte im deutschen Südwesten kennen lernen konnte.
Ich erlebte dabei überraschend große Offenheit, die deutlich
mit diesem eingangs erwähnten Klima der Veränderung verknüpft ist.
Beispiel 1:
Der Rechtsanwalt des Vaters kontert seinerseits mit dem Antrag auf das ABR.
In dieser Situation findet der Vater zu uns zur Beratung.
Wohl wissend, dass im Machtgerangel um Sorgerechtsanteile bei dieser Konstellation die Mutter immer die besseren Karten auf der Hand hat, erläutere ich dem Vater die weiteren Möglichkeiten. Die Folge ist ein Schreiben des Vaters ans Familiengericht mit folgenden Sätzen:
„Restriktionen und
Beschneidung von Elternrechten können nur erforderlich sein, wenn
Boykottverhalten und hartnäckiger Dissens eines Elternteils der gemeinsam
gelebten Elternschaft entgegen stehen.
In diesem Sinne will ich nicht
in erster Linie eine Beschneidung von Rechten eines Elternteils, sondern die
Unterstützung der Verwirklichung von gemeinsam gelebter Elternschaft durch die
familiale Intervention.“
Die Qualität des Rechtsanwaltes zeigte sich darin, dass er selbst dieses Schreiben von seiner Kanzlei aus ans Familiengericht weiter reichte.
Heute praktizieren die Eltern eine nahezu paritätische
Betreuung bei Geschwistertrennung und viel gemeinsamer Zeit für die beiden
Geschwister.
Im Einzelnen mehren sich aber richterliche Äußerungen und
Entscheidungen, die die Bereitschaft erkennen lassen, eine grundsätzliche und
pauschale Bevorzugung der Mutter nicht mehr zur Richtschnur der eigenen
Entscheidungen zu machen.
Gegen den Antrag der Mutter beschließt die Richterin dann auch das vom Vater gewünschte Umgangsvolumen, etabliert eine Bringregelung und festigt das Ergebnis mit obligatorischen Ordnungsmitteln.
In der Beschwerdeverhandlung vor dem OLG bekam die Mutter das ABR wieder zurück, allerdings mit durch einen Vergleich geregelten Auflagen zum Umgang.
Der fortgesetzte Verstoß der Mutter gegen diese Auflagen wurde danach vom Familiengericht ausgesessen. Richterausfälle trugen zur Verschleppung bei.
Als nach über 2 Jahren die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen drohte, zog die Mutter in einer Nacht- und Nebelaktion um, ohne den neuen Aufenthaltsort mitzuteilen.
Der Vater konnte diesen schließlich ermitteln und stellte einen Strafantrag nach § 235 StGB, Kindesentziehung mit List, der – wie alle anderen begründeten Anträge wegen desselben Deliktes – von der Staatsanwaltschaft zurück gewiesen wurde, was immer wieder rechtsbeugenden Hintergrund hat.
Die Antragsgegnerin hat die
Gerichtskosten zu tragen und dem Antragsteller die diesem entstandenen
notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Das Familiengericht gibt der
Antragsgegnerin erneut aber auch letztmalig Gelegenheit, freiwillig bei einem
betreuten Umgang mitzuwirken. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die
diese Mitwirkung unzumutbar machen könnten.“
„Um dem
Verfahren Nachdruck zu geben, wird ferner gebeten, die der Antragsgegnerin
gesetzte 2-Wochen-Frist zu beachten und spätestens nach deren Ablauf
unmittelbar Mitteilung zu machen.“
Mit dem Vater zusammen erarbeitete ich einen „Verhaltenskodex im Rahmen der Umgangsregelung“, die der Richter wie folgt in den Vergleichsvorschlag übernahm:
Nach heftigen Widerständen der gegnerischen Anwältin, der Vertreterin des Jugendamtes, der Verfahrenspflegerin und der Familienhilfe gegen diese dann auch wirksam gewordene Lösung und nach einem mehr als einjährigen Kampf gegen alle diese Widerstände – was immer wieder ungeheuerliche Dimensionen angenommen hatte - konnten wir eine Beruhigung erreichen.
Der Richter reagiert mit einem Hinweis:
„Das Gericht
teilt den Beteiligten mit, dass die Vereinbarung vom 17.2.2011 ein
Vollstreckungstitel darstellen dürfte, nachdem die
Vereinbarung auch gerichtlich gebilligt wurde.
Das Gericht teilt weiter mit, dass der Antragsteller nach Erinnerung des
Gerichts in der mündlichen Verhandlung
erklärt hat, dass er zur eigenen Sicherheit derzeit einen Umgangskontakt nicht ohne einen Zeugen durchführen wird. Dem hat
die Mutter des Kindes nicht widersprochen.“
Wir nahmen uns des Falles intensiver an und agierten maßvoll moderat, aber bestimmt.
Inzwischen hat sich die Situation grundlegend verändert. Zum ersten Mal erhob sich der Richter von seinem Platz und warnte die Mutter deutlich vor der Absicht, sich durch Wegzug zu entziehen.
Ich zitiere aus dem neuen Gutachten, das von drei involvierten Sachverständigen unterzeichnet ist:
Diese macht auch Raum für neue Lösungswege, die Bereitschaft, etwas umzusetzen, was bisher im Bereich eines Familiengerichtes noch nie gemacht wurde.
Es zeigt sich die Bereitschaft der
Professionen, dies – wie üblich – für angemessen zu halten.
Es kann nicht sein, dass die einseitige Aufkündigung der ehelichen Solidarität durch die Mutter, dass ihre Absicht des Bruches aller Kontinuitäten für die Kinder – außer der Bindung dieser an sich selbst -, dass die egoistische Umsetzung eines neuen Lebenstraumes der Mutter dazu führt, dass die Kinder als Umzugsgut in ein neues ungewisses Abenteuer mitgenommen werden und alle Nachteile einem von allen Ereignissen überraschten Vater überlassen bleiben.
Sollte auch das keine von den Eltern selbst gefundene Lösung erbringen, müsste ein Gutachten in Auftrag gegeben werden.
Der Vorschlag wird umgesetzt.
Sie praktizieren in der Ehewohnung (inzwischen mit getrennten Schlafzimmern) ein 50:50-Betreuungsmodell, das erfordert, dass der gerade nicht betreuende Elternteil morgens um 6 Uhr die Wohnung verlässt und diese nicht vor 20 Uhr wieder betreten darf.
Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Mutter nach der Geburt jeweils eine gewisse Zeit beruflich pausierte.
Daraus leitet der Sachverständige einen Betreuungsvorteil ab, den er zur Grundlage seiner Empfehlung macht, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
Damit war der Fall wie üblich entschieden.
Obwohl, oder vielleicht auch weil er diesen Betreuungsvorteil der Mutter bei Wegfall der weiteren Hauptbetreuung durch sie zur Quelle eines Traumas für die Kinder hoch stilisierte, war der Richter nicht überzeugt und fragte mich nach einem Antrag von Seiten des Vaters auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Ich machte klar, dass ich keinen Eingriff in die Elternautonomie wünsche – auch nicht zu Gunsten des Vaters.
„Der Antrag
der Antragstellerin auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes wird
zurückgewiesen.“
Der Anwalt der Mutter für das
Beschwerdeverfahren beim OLG ist zur Zeit mit mir dabei, eben dieses
gerichtliche Verfahren über eine Einigung überflüssig zu machen. Es
kristallisiert sich heraus, dass die Kinder beim Vater bleiben werden. Zur Zeit
werden die Bedingungen geregelt, wie die Mutter über 400 km Entfernung trotzdem
noch Mutter bleiben kann.
Damit hätte ein akuter Fall nach
über einem Jahr beständiger Begleitung einen zumindest vorläufigen positiven
Abschluss gefunden.
Nach immer schwieriger werdenden Bedingungen für den Umgang kommen die ersten Boykottaktionen. Die Mutter gewinnt die Kinder zur aktiven Mitwirkung beim Umgangsboykott. Dies führt so weit, dass die neue Partnerin des Vaters des Missbrauchs bezichtigt wird und dass die Tochter erklärt, sie würde sich umbringen, wenn sie zum Vater gehen müsste.
Sie müsse folgende Kompetenzen in sich vereinen:
Eine Umgangspflegschaft inclusive dem damit verbundenen Aufenthaltsbestimmungsrechtsanteil mit den Aufgaben einer Verfahrenspflegschaft und dem Aufgabenfeld eines interventionistisch arbeitenden Sachverständigen, der die Eltern auf ihre Ressourcen hinweist und am Ende einen detaillierten Bericht abgibt.
In einer Vereinbarung wurde das Aufgabenfeld dieser Person beschrieben und die Eltern einigten sich auch über deren private Finanzierung.
Damit war zum ersten Mal eine Hilfe
installiert, die dem sehr nahe kommt, was wir aus den Erfahrungen des VAfK
heraus als „KOOPERATIONSMANAGER“ vorschlagen.
Beistände sind dabei ideale Katalysatoren. Sie sind in den Verfahren selten und für viele Professionen neu. In dieser Funktion erwartet man von ihnen auch neue Impulse, die zur Zeit auch erstaunlich bereitwillig aufgenommen werden.
Das OLG bestätigte meine Zulassung, worauf sich der Gegenanwalt mit einer umfangreichen Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht wandte.
Tenor der 17-seitigen Beschwerde:
- Ich sei als Interessenvertreter vom „Väteraufbruch für Kinder“ als Beistand nicht geeignet
- Alle Professionen seien extra in ihrer Rolle als Verfahrensbeteiligte zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese besondere Verpflichtung sei im § 12 FamFG nicht geregelt